27. Dezember 2019

„Die öffentlichen Verleumder“, 2019

Entwurf für den Kunstwettbewerb »Gestaltung eines Gedenkortes in der Gedenkstätte Köpenicker Blutwoche, Puchanstraße in Berlin Köpenick«,
durchgeführt vom Amt für Weiterbildung und Kultur, Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin

Während der »Köpenicker Blutwoche« wurden im Amtsgerichtsgefängnis Puchanstraße mehrere Hundert von der SA hierher verschleppte Menschen schwer misshandelt, gefoltert und zahlreiche Menschen ermordet. Mit der Audioinstallation »Die öffentlichen Verleumder« in einer ehemaligen Gefängniszelle soll ein Rahmen geschaffen werden zur emotionalen Verarbeitung der Informationen über die Ereignisse im Juni 1933. Gleichzeitig soll durch das gleichnamige Gedichts von Gottfried Keller dem Terror der SA ein Zeichen der Hoffnung und des Widerstands gegenübergestellt werden.

Gottfried Kellers Gedicht »Die öffentlichen Verleumder« von 1878, »das auf Hitler-Deutschland gemünzt [zu sein] scheint« (Thomas Mann, Tagebucheintrag vom 8.12.1934), wurde während des Nationalsozialismus in Widerstandskreisen, im kirchlichen Umfeld und im privaten Bereich gelesen und weitergegeben, berichtet Hannah Arendt 1974 in einem Brief an Uwe Johnson. Das Gedicht beschreibt gleichermaßen prophetisch den Aufstieg Hitlers und die Situation nach dem Machtantritt der NSDAP, die u.a. im Terror der »Köpenicker Blutwoche« mündete: »Erst log allein der Hund, nun lügen ihrer Tausend … die Guten sind verschwunden, die Schlechten stehn geschart!« In der letzten Strophe wird jedoch die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass diese »Not« »einstmals« vorübergehen wird. »Für mich ist diese Strophe des Gedichts immer der Weisheit letzter Schluss für die ganze Angelegenheit gewesen«, bemerkte Hannah Arendt dazu.

Entwurf, 2019





































Kellers Gleichnis lädt außerdem die BesucherInnen des Gedenkortes ein, sich angesichts erstarkender populistischer Parteien sowie der Zunahme rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalttaten mit den neuen öffentlichen Verleumdern und den gegenwärtigen Gefährdungen unserer Demokratie auseinanderzusetzen – denn auf Worte folgen Taten.

Für die Wiedergabe einer Aufnahme des Gedichts wird ein aktiver Richtlautsprecher mit integriertem Bewegungssensor vorgeschlagen. Die letzte – hoffnungsvolle – Strophe soll in schwarzer Folienschrift auf der hinteren Wand unterhalb des Fensters angebracht und in der Raummitte ein Hocker platziert werden.

(aus dem Konzept, Herbst 2019)